: : : : : : : : : :[GOMS NOTIZEN]: : : : : : : : : :
Dieser Blog dreht sich ums Studentenleben in Korea. Die Hauptseite meiner Blog-Welt ist unter folgender Adresse zu sehen:
Freitag, 11. Juli 2008
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Ganzeseitetage
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Wenn man aufwacht und in den Online-Ausgaben der koreanischen Zeitungen ist eine Meldung quer über den ganzen Bildschirm, meist noch mit Extra-Kasten drumrum, dann weiß man, dass etwas sehr Schlimmes passiert ist - ein Ganzeseitetag eben.
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So auch heute, eine Nachricht, die es vielleicht sogar nach Deutschland schaffen könnte, da sie mit Nordkorea zusammenhängt. Jedenfalls ist es ein unglaublicher, ja unwirklicher, Vorfall, den man nicht ausschliesslich auf das derzeitige Verhältnis schieben kann, der aber aufgrund eben dieser derzeitigen Lage besondere Aufmerksamkeit und einen noch schaleren Beigeschmack erhält.
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Also ohne große Umschweife: Eine südkoreanische Touristin wurde im Rahmen der Geumgang-Tour von einem nordkoreanischen Soldaten erschossen, weil sie sich wohl außerhalb des begrenzten Gebietes am Strand aufgehalten hat. Und dann einfach so in den Rücken und ins Bein und dann war sie tot. Einfach unfassbar.
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Einige Fragen drängen sich auf:
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1. Südkoreanische Ajummas kennen keine Regeln. Wahrscheinlich war sie gerade so am Kräutersammeln, dass sie die Begrenzungen nicht mitbekommen hat. Nach einer kurzen Warnung, auf die sie keinerlei Reaktion gezeigt hatte, wurde sie dann sofort erschossen. Haben nordkoreanische Wachposten im Geumgang wirklich Schießbefehl? War es vielleicht sogar eine gezielte Aktion, um noch mehr Chaos in die Beziehungen zu bringen? Andererseits; sollte der Süden die Tourismusprogramme abbrechen, gingen Nordkorea viele Millionen wichtiger Devisen flöten. Der junge Soldat scheint also eher "Einzeltäter" zu sein. Wenn auch übermotiviert.
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2. WARUM schießt jemand einfach so? Ich meine, eine unbewaffnete Ajumma auf Strandurlaub wird man ja wohl anders einfangen können als mit gezieltem tödlichen Schuss in den Rücken.
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Präsident Lee hat sofort angekündigt, dass es keine militärische Reaktion auf den Vorfall geben werde, das Tourismus-Projekt aber erst einmal bis auf weiteres ausgesetzt sei. Vielleicht wachen ja einige Südkoreaner jetzt mal auf, dass Nordkorea kein lustiges Land für Badeferien ist. Die Unbefangenheit, aber auch das Deesinteresse und die mangelnde Reflektion der südkoreanischen Touristen war mir ja schon in Gaeseong aufgefallen.
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Aus dem Norden gibt es bisher noch kaum eine Reaktion. Die bisherigen Touristen wurden ohne große Probleme ausser Landes gebracht, nach Sokcho wohl, aber offiziell gibt es noch keine Äußerung. Vielleicht überwindet man sich ja und entschuldigt sich für den Vofall? Da ist noch viel politisches Pulver drin. Wahrscheinlich werden die Anti-Rindfleisch-Demonstranten jetzt gegen die Ajumma protestieren, weil diese die innerkoreanische Versöhnung durch ihr Verhalten untergraben hat. Lacht nicht, nach dem, was ich schon im Zusammenhang mit Nordkorea-Politik in Korea mitbekommen habe, ist das gar nicht so unwahrscheinlich.
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Update 20:38: Der Norden hat noch immer nichts verlautbaren lassen. Die einzigen Informationen gab es für Hyundai-Asan, an die Regierung Südkoreas gibt es bisher nichts. Inzwischen ist aber trotzdem Näheres rausgefunden worden und einige der Hauptzweifel an der Version des Nordens werden sehr schön in einem Artikel von Hanguk Ilbo beschrieben.
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Frau Park (das Opfer) wollte wohl am Abreisetag noch den Sonnenaufgang am Ostmeer anschauen und spazierte am Meer entlang. Laut nordkoreanischer Version überstieg sie dann einen 2 Meter hohen Eisenzaun (!!), marschierte 2 Kilometer in militärisches Sperrgebiet (!!!), reagierte nicht auf Warnungen und angebliche Warnschüsse, flüchtete dann aber 1 Kilometer lang im Sand rennend (!!!) und wurde schließlich in den Rücken geschossen (!!). Angeblich habe man nicht erkannt, dass es sich um eine zivile Person gehandelt habe, weil es nachts gewesen sei. Es war allerdings mindestens schon Morgengrauen und da kann man sicher eine koreanische Ajumma von einem Soldaten unterscheiden. Außerdem ist es interessant, dass nur zwei Schüsse abgegeben wurden, aus einer Entfernung von 300 Metern. Und so gezielt. Die Autopsie hat ergeben, dass der zweite wohl sogar auf die bereits liegende Person abgegeben wurde; zudem sicher näher als 300 Meter.
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Wie wenig Achtung vor Menschenleben wird nordkoreanischen Soldaten eigentlich anerzogen? Ich bin immer noch richtig wütend. Denn im Gegensatz zu vielen Südkoreanern, die es entweder als Dummheit der Frau runterspielen (Linke) oder als gezielte Provokation hochspielen (Rechte), glaube ich, dass die dummen Soldaten einfach nicht gesehen haben, dass es sich um eine gut bezahlende Touristin aus dem Süden handelt, sondern "nur" um einen Bürger ihres eigenen Arbeiterparadieses, der in Sperrgebiet eindringt. Im Norden durchaus ein todeswürdiges Vergehen.
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Viel mehr als über die Beziehungen zwischen Nord und Süd sagt mir der eigentliche Vorfall wieder einmal etwas über den Wert von Menschenleben in Nordkorea; und dabei kommt mir gelinde gesagt das Kotzen.
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Update 13:23 Uhr: Wie ich dieses Regime nicht leiden kann.... In einem typischen Anfall kimistischer Dialektik bedauert Nordkorea den Zwischenfall, fordert aber eine Entschuldigung vom Süden dafür, dass dieser seine Leute nicht im Griff habe. Eine Tatort-Begehung oder Untersuchung werde es nicht geben (bestes Zeichen dafür, dass die nordkoreanischen Untersuchungen mit einem für den Norden unliebsamen Ergebnis zuende gegangen sind) und ansonsten ist man im Norden sehr schockiert, dass das Territorium des Nordens verletzt worden sei. Nun ja.
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Inzwischen hat sich ein Zeuge zu Wort gemeldet, der die Dame noch verschwinden hat sehen - er hat aber keinerlei Zäune oder Warnschilder gesehen, weshalb er sich nichts weiter gedacht hat. Eine Zeit später hat er dann 2 (!) Schüsse gehört, d.h. wenn das stimmt, kann es keinen Warnschuss aus dem Norden gegeben haben. Rätsel, die wohl nie gelöst werden.
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Eins muss man Lee lassen; manchmal hat seine Sturheit auch was Gutes. Sein "umfassendes Gesprächsangebot" für den Norden hat er - obwohl er 50 Minuten vorher vom Zwischenfall erfahren hat - aufrecht erhalten. Ganz so der harte Anti-Nordkoreaner kann er also nicht sein. Mal sehen wie er im Weiteren reagiert. Was ich so in den Zeitungen mitbekomme, ist die Stimmung doch überraschend antinordkoreanisch, nicht nur in der Chosun, sondern auch in gemäßigteren Foren.
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Die Nordkoreaner wundern mich wieder einmal, dass sie den Fortbestand des Projektes so offen gefährden mit ihrer Stellungnahme - andererseits dürften sie wissen, dass der Süden das Projekt gar nicht wirklich abbrechen kann. Nordkorea ist mal wieder in einer Win-Win-Situation.
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Label 레이블 Korea, Nachrichten, Nordkorea, Politik
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3 Kommentare 덧글:
lol, ok die nordkoreanische version ist ja wirklich im stil von so manchem artikel den wir schon mal lesen durften.
aber meinst du die leute wurden nicht über solche risiken aufgeklärt? wenn nein, dann ist das sicherlich ein versäumnis gewesen. es ist ja schön dass sie den sonnenaufgang sehen wollte, aber man geht dann doch trotzdem nicht so weit von seiner gruppe wenn man im "feindgebiet" ist. ich bin sicherlich kein linker, aber etwas mehr gesunden menschenverstand kann man da wohl voraussetzen.
über den wert von menschenleben und warum jemand einfach so schießt braucht man nicht groß reden. es ist krieg. da ist es überall auf der welt das gleiche.
Ja, es gab diese Warnungen und sicher hat sie auch eine Mitschuld daran, indem sie so unachtbar war. Ich sage mal ganz frech, das mir das nicht passiert waere.
Gleichzeitig, wenn man sich das anschaut, jetzt hat Hyundai ja Fotos veroeffentlicht, ist der Zaun am Strand fuer eine extrem lange Strecke nur ein kleiner Sandhaufen von vielleicht nem halben Meter Hoehe, ohne jegliches Warnschild. Also schon ein grobes Sicherheitsversaeumnis auch auf Seiten von Nordkorea und Hyundai...
also als ich damals in geumgangsan war, hatte ich so einen schiss, ja nix falsches zu machen, dass ich nie irgendwohin gegangen wäre, wo es auch nur verboten sein KÖNNTE. das wird einem so krass eingebleut. man darf nicht mal dieses umhängeschild mit namen & "visum" ablegen, geschweige denn verlieren...
aber vielleicht geht diese "angst" ja auch vorrüber, wenn man ein paar tage dort ist und mit der wasserbanane im nordkoreanischem meer gefahren ist. ich meine, sorry, aber wie absurd ist das denn?????
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