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Dieser Blog dreht sich ums Studentenleben in Korea. Die Hauptseite meiner Blog-Welt ist unter folgender Adresse zu sehen:
Montag, 11. Februar 2008
Eigentlich wollte ich an dieser Stelle von dem tollen Abend berichten, den ich heute mit Jinie und ihren Freunden auf ihrer Abschiedsparty verlebt habe, doch es kommt immer anders als man denkt.
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Heute nacht, gegen 2 Uhr, ist der koreanische Nationalschatz Nr. 1, das meiner Meinung nach bedeutendste Wahrzeichen Seouls, das Namdaemun, bzw. Suedtor bis auf die Grundmauern abgebrannt, trotz Feuerwehreinsatzes. Ich kann es mir noch immer nicht erklaeren und bin angesichts der Bilder sprachlos.
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Selbst die duemmsten Anti-Korea-Poster auf diesem Blog sollten angesichts dieses Verlustes ihre Klappe halten. Wenn Neuschwanstein abbrennt, sollte man auch einfach mal angesichts des kulturellen Schadens die Klappe halten koennen.
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Seoul, die Stadt, die ich liebe, ist seit heute nacht nicht mehr das, was sie war. Jetzt kommen sicher die Kommentare wie "Ist doch nur nen Gebaeude", aber dieses Gebaeude symbolisierte wie kaum ein anderes diese Stadt und auch die Veraenderungen, die diese Stadt durchmacht. Dass es nun einfach nur noch ein Haufen angekokelte Steine ist, macht mich unendlich traurig.
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Es ist trotzdem unfassbar, dass inmitten einer 11-Millionen-Metropole so ein Wahrzeichen mir nichts dir nichts einfach abbrennen kann. Es scheint, dass jeder hoelzerne Dorfschrein auf dem Land besser geschuetzt ist als dieser unwiederbringliche Kulturschatz des koreanischen Volkes. Es scheint, dass die Seouler Stadtregierung noch eine Menge zu lernen hat im Umgang mit ihren Kulturschaetzen. Damit ist schliesslich auch die Registrierung der historischen Staetten Seouls extrem zurueckgeworfen und Buergermeister Oh Se-hun wird sich viele Fragen stellen lassen muessen in den naechsten Tagen. Warum schaffen es 180 Feuerwehrleute in 32 Loeschwagen nicht das Feuer zu loeschen?
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Ich spuere gerade, auch aufgebracht durch den Alkohol, eine Mischung aus Trauer und Wut, fuer die es im koreanischen das schoene Woertchen "Han" gibt.
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Update 4:59: Inzwischen geht die Polizei von einem geplanten Anschlag aus. Das Feuer sei an mehreren Stellen fachmaennisch gelegt worden. Die Spekulationen schiessen wild umher in verschiedenen Foren. Von Al-Kaida ueber Nordkorea bis zum verwirrten Einzeltaeter wird alles verdaechtigt, was Fuesse hat. Sicher ist nur, dass 600 Jahre Geschichte heute im wahrsten Sinne des Wortes "ausgeloescht" wurden.
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Update 5:13: Inzwischen gibt es einen Verdaechtigen, einen besoffenen Penner, der am Hauptbahnhof gesehen wurde, aber nichts ist sicher. Zudem wird klarer, warum man das Tor nicht retten konnte - und das ist wiederum etwas, was ich verstehe. Das Feuer war im Inneren ausgebrochen, wodurch man Feuerwehrleute ins brennende Gebaeude haette schicken muessen, das zudem einsturzgefaehrdet war. Der Einsatzleiter setzte hier Menschenleben ueber kulturellen Wert und das muss man ihm meiner Meinung nach zugestehen. Alte Gebaeude kann man irgendwie wieder aufbauen, Menschenleben sind unersetzbar. Selbst wenn sie als nationale Helden in die Geschichte eingegangen waeren. Selbst diese Episode zeigt wie viel sich in Korea geaendert hat. Hoffen wir, dass das Tor bald wieder in alter Pracht erstrahlt und diese Wunde aus dem Seouler Stadtbild verschwindet.
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Update 9:44: Das mit dem fachmaennisch gelegt, entpuppt sich als Falschmeldung und alles deutet auf diesen besoffenen und ziemlich wirren Einzeltaeter hin, der sogar von Kameras nach der Tat beim Wegrennen aufgezeichnet wurde.
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Dafuer gibt es gute Nachrichten zum Morgen. In einer ersten Stellungnahme hat das Amt fuer Kulturschaetze angekuendigt, dass das Tor originalgetreu wiederaufgebaut werde. Allerdings werde dies zwischen 2 und 3 Jahre dauern. In typischer koreanischer Art wird bereits heute morgen ein Bauzaun errichtet, um in Ruhe die Schaeden begutachten zu koennen.
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Update 10:02: Inzwischen geht es mehr um die Bedeutung des Tores und die Wunde, die jetzt im Zentrum Seouls klafft. Die Schlagzeilen der heutigen Zeitungen sprechen Baende:
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"In einer Nacht brach der Stolz Koreas in sich zusammen"
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"Mitten im Zentrum so etwas.."
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"Nationalschatz Nr. 1 ist verschwunden - Traenen der Wut"
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In Internetforen ist diese typische koreanische Mischung aus Selbstmitleid und Aktionismus zu spueren. Die einen wollen am liebsten gleich den Buergermeister und alle Feuerwehrmaenner zu Sklaven machen, die anderen weinen herum.
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Label 레이블 Korea, Nachrichten
7 Kommentare 덧글:
oh gott... meine schönsten bilder aus seoul sind vom namdaemun... und das meinst du doch nicht ernst?? ein besoffener penner soll ein feuer fachmännisch gelegt haben??... gibt es schon pläne für einen originalgetreuen wiederaufbau?? kein namdaemun... das ist so als ob plötzlich das brandenburger tor verschwinden würde... das geht ja wohl mal gar nicht klar...
NEIN!!!
Was sind das fuer Nachrichten am fruehen Morgen!!! Ich kann es nicht glauben!
Ich habe die Nachricht ganz am Anfang schon gesehen, da sah es aus wie ein kleines Feuer was mehr gequalmt als gebrannt hat und sehr viele Feuerwehrleute waren vor Ort, um so größer der Schock heute Morgen, das es doch komplett abgebrannt ist :(
Das ist ja echt krass und sehr traurig! Bin 1 Jahr lang jeden Tag mit dem Bus am Namdaemun vorbeigefahren. Meiner Meinung nach hat Seoul damit neben dem Abriss des Dongdaemun Stadions gleich zwei Wahrzeichen verloren. Wobei letzteres natuerlich viel bedeutender ist...
Ich frag mich echt, ob ich die Stadt nach einem halben Jahr wiedererkennen werde.
Ist die Restauration des Gwanghwamun eigentlich schon abgeschlossen? Oder steht jetzt nur noch das Dongdaemun? ...
Flo
Sorry, meine natuerlich: Wobei ERSTERES (Namdaemun) bedeutender ist...
Gwanghwamun wird erst 2009 fertig, ist zur Zeit nur eine Baugrube.
Die Nachricht über den Verlust des Sungnyemun hat mich sehr erschrocken. Auch ich glaube, dass die Umstände, ob Brandstiftung oder Unfall durch menschliches Versagen und die Vorgehensweise der Feuerwehr ein bezeichnendes Bild auf die sich ändernde koreanische Gesellschaft wirft. Nun ist 600 Jahre alte Bausubstanz endgültig verloren und dies stimmt sicher nicht nur Historiker traurig. Aber viele historische Bauwerke in Seoul sind restauriert oder rekonstruiert (siehe Gwanghwamun oder z.B. Gyeonghuigung) und so wird man auch in einigen Jahren froh sein, dass das Sungnyemun überhaupt wieder da ist.
jepp.... find ich sowieso.
philosophisch gesehen ist es eh scheissegal, ob das tor 6 jahre alt ist oder 600....koreanische bauweise ist von anfang an so konzipiert, dass aus der natur, mit der natur gebaut wird und man immer wieder nachbessert..
"Beeindruckend...600 Jahre alt"...das ist nur eine westliche ansicht, die zugegebenermassen von den koreanern in ihrer sucht nach anerkennung, uebernommen wurde.
Wichtig ist, dass dieses Tor an dieser Stelle Seoul sein Gesicht gab und die historische Stadtgrenze markiert...und fuer alle anderen: der erste stock und die mauersteine sind ja nach wie vor alt....^^
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